Eisenmangelanämie bei Krebspatienten
Prävalenz
Eisenmangel ist eine häufige Komplikation in Verbindung mit Krebs. Gastrointestinal- oder Kolorektalkarzinome können innere Blutungen verursachen1 und einige gynäkologische Karzinome, wie z. B. das Ovarial- oder das Zervixkarzinom, führen zu Blutverlust und erhöhen für die Patientinnen das Risiko einer Eisenmangelanämie (IDA). Abhängig von der Krebsart können bis zur Hälfte der Krebspatienten bereits bei der Diagnose eine Anämie aufweisen und bis zu 3/4 aller Krebspatienten entwickeln während der Radiotherapie oder Chemotherapie eine Anämie.2
Bei allen Krebsarten tritt bei 30-45 % der Patienten Eisenmangel auf.1 In einer monozentrischen Studie an 1.528 Patienten (1053 hatten solide Tumore und 475 hämatologische Malignitäten) hatten mehr als 40 % Eisenmangel, der definiert wurde als Transferrinsättigung (TSAT) von <20 %.2
Ursachen
Zur Entwicklung einer Eisenmangelanämie (IDA) bei Krebspatienten tragen abhängig von der Krebsart und der Behandlung, die der Patient erhält, mehrere Faktoren bei. Diese Faktoren sind:
- Reduzierte Aufnahme von Eisen mit der Nahrung: Patienten mit Gastrointestinal- oder Kolorektalkarzinom sind aufgrund der krankheits- oder behandlungsbedingten Anorexie eventuell nicht in der Lage, genügend Eisen mit der Nahrung aufzunehmen2
- Chronische Blutung: Viele Krebsarten verursachen Blutverlust durch innere Blutungen; dies gilt insbesondere für Krebs des Gastrointestinal- und des Urogenitaltrakts2
- Chronische Entzündung: Chronische Entzündung kann mit Eisenmangel bei Krebspatienten verbunden sein.2 Inflammatorische Zytokine stimulieren die Freisetzung von Hepcidin, das die Freisetzung von Eisen aus Eisenspeichern hemmt; dies kann zu funktionellem Eisenmangel führen. Die Absorption von Eisen aus dem Darm wird ebenfalls durch Hepcidin blockiert und verhindert, dass die Eisenspeicher aufgefüllt werden; dies führt zu absolutem Eisenmangel.3
- Antikrebstherapie, einschliesslich Chemotherapie und Radiotherapie2
- Erhöhter Eisenbedarf während der Therapie mit Erythropoese-stimulierenden Arzneimitteln (ESA): Patienten, die sich einer myelosuppressiven Chemotherapie unterziehen, erhalten ggf. ESAs.4 ESAs reduzieren den Pool zirkulierenden Eisens durch Steigerung der Erythropoese und als Begleittherapie kann Eisenergänzung erforderlich sein.5
Bedeutung der Behandlung der Eisenmangelanämie bei Krebspatienten
Anämie kann merkliche physische und psychische Auswirkungen haben. Sie manifestiert sich z. B durch starke Erschöpfung (Müdigkeit), Schwindel, Kurzatmigkeit, Herzrasen, depressive Stimmung oder Schlafstörungen. Vor allem sind Patienten durch Anämie in ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Bei Studien an Krebspatienten mit Eisenmangelanämie wurde eine direkte Korrelation zwischen Lebensqualität und Hämoglobinspiegeln bei Krebspatienten, die Chemotherapie erhielten, festgestellt.6
Bei bis zu 96 % der Krebspatienten tritt Müdigkeit auf, die tiefgreifende Auswirkungen haben kann.7,8 61 % der Krebspatienten berichteten, das Müdigkeit grössere Auswirkungen auf ihr tägliches Leben hatte als Schmerzen.8
Die klinische Evidenz deutet darauf hin, dass die Behandlung der Chemotherapie-bedingten Eisenmangelanämie mit intravenösem Eisen und ESA-Therapie die Hämoglobinspiegel erhöht. Dies führt zu Steigerungen des Energieniveaus, der Aktivität und der generellen Lebensqualität.9,10
Diagnose und Behandlung
Krebspatienten sollten Ihr Blut und ihre Eisenspiegel regelmässig auf Eisenmangel oder Eisenmangelanämie (IDA) untersuchen lassen. Falls eine Entzündung im Körper vorhanden ist (hoher CRP-Wert), sollte neben dem Hämoglobin (Hb-Wert) und dem Eisenspeicher (Ferritin) auch die Last der Eisentransporter (Transferritinsättigung) bestimmt werden.
Bei entzündlichen Prozessen nimmt der Körper nicht nur weniger Eisen auf, sondern die Mobilisierung aus den Eisenspeichern ist ebenfalls reduziert. Leider gibt der Ferritinwert unter solchen Bedingungen keinen zuverlässigen Hinweis, ob die Eisenspeicher ausreichend gefüllt sind, da Ferritin auch entzündungsbedingt erhöht ist.
Die Anämie kann so schwer sein, dass Krebspatienten Bluttransfusionen benötigen. Dagegen lässt sich Eisenmangelanämie leicht verhindern, wenn eine systematische und gründliche Diagnose gestellt wird. Ausserdem wurde im Bereich der onkologischen Chirurgie nachgewiesen, dass die Aufenthaltsdauer im Spital verkürzt wird, wenn Bluttransfusionen vermieden werden.
Eine Anämie sollte zweifellos vom Arzt behandelt werden, um die Lebensqualität von Patienten zu verbessern und Bluttransfusionen potenziell zu vermeiden.
Referenzen
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